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Permakultur: Wie natürlich kann Landwirtschaft heute noch sein?

Permakultur

Ein reich bewachsenes Feld, Nutztiere, die in ganz natürlicher Umgebung statt in Viehställen leben und dennoch ein reicher Ertrag – was absolut paradiesisch klingt, ist kein Märchen, sondern ein ernst gemeinter Vorschlag für eine neue Form der Landwirtschaft.

Wie Permakultur gedacht ist und ob sie wirklich funktionieren kann, ist heute unser Thema.

Ein französisches Paradies der Nachhaltigkeit

Charles Hervé-Gruyer war Segellehrer, seine Frau Perrine Juristin. Beide hatten keine Ahnung von Landwirtschaft und beruflich überhaupt nichts damit zu tun. Doch weil Charles Hervé-Gruyer in seinem Beruf viel unterwegs war, kam er immer wieder mit Landwirten aus aller Welt zusammen. Er war fasziniert von deren Arbeitsweise und der Tatsache, dass sie auch auf kleinstem Raum und unter widrigen Bedingungen reiche Ernten einfuhren.

Diese Begegnungen ließen in ihm eine Vision entstehen: Könnte man nicht die ganze Welt mit einfacher und vollkommen natürlicher Landwirtschaft ernähren?

Zunächst dachte das Ehepaar dabei an biologische Landwirtschaft, stieß dann aber im Internet zufällig auf das noch junge Konzept der Permakultur. Es beinhaltete genau das, was sich Charles und Perrine Hervé-Gruyer vorstellten: natürliche Landwirtschaft ohne Pestizide und Maschinen bei gleichzeitig hohen Erträgen.

Auf einem Stück Land in der Normandie setzten sie dieses Konzept auf eigene Faust um. Von anfangs 1.400 Quadratmetern entwickelte sich die Farm der Hervé-Gruyers zu einem landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Größe von heute 1,2 Hektar.

Zwar arbeiten mittlerweile mehrere Angestellte im Betrieb, auf künstliche Dünger, Pestizide und Maschinen wird aber nach wie vor verzichtet. Das Konzept der Permakultur zahlt sich für die Hervé-Gruyers aus – mit jedem Quadratmeter Land erwirtschaften Sie heute rund 55 €, etwa das Zehnfache, was ein Quadratmeter aus industrieller Agrarkultur erzielt.

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Das Konzept der Permakultur

Permakultur ist ein noch sehr junges Konzept, greift aber auf traditionelles landwirtschaftliches Wissen zurück. Es ist quasi ein Gegenentwurf zum industriellen Agrarsystem, das vor allem auf Monokulturen basiert.

Denn beim Konzept der Australier Bill Mollison und David Holmgren geht es um eine langfristige und dabei nachhaltige Landwirtschaft. Althergebrachtes Wissen verschiedener Naturvölker wird hier mit dem klassischen Ansatz des Biolandbaus verknüpft und perfektioniert.

Dabei umfasst die Permakultur zwölf Grundprinzipien:

1. Beobachte und Interagiere

Wer die Natur aufmerksam beobachtet, wird feststellen, dass sie sich selbst gut schützen und erhalten kann. Der hohe Bedarf an künstlichen Dünge- und Spritzmitteln aus der industriellen Agrarwirtschaft wäre also gar nicht nötig, wenn der Mensch weniger in die Natur eingreifen, sondern ihr ihre eigenen Kompetenzen zugestehen würde.

Bei den Hervé-Gruyers zeigt sich das ganz deutlich. Statt ordentlich getrennt, wachsen hier Salat und Zwiebeln wild gemischt durcheinander, denn die Zwiebel ist in der Lage den Salat vor Schädlingen zu schützen. Ihr strenger Duft vertreibt jeden Schädling, ohne den Salat künstlich mit Pestiziden abhärten zu müssen. Eine komplett natürliche Methode, die frei von Chemie ist und trotzdem hervorragend funktioniert.

Bereits achtsames Beobachten der Natur bringt jeden Landwirt diesen natürlichen Geheimnissen näher und ist die Basis der Permakultur.

2. Sammle und speichere Energie

Langfristig denken statt schnell Gewinne zu maximieren – das ist der Kern dieses Permakultur-Prinzips. Konkret meint das Konzept hier, dass mit natürlichen Ressourcen sorgsam umgegangen wird.

Mehrjährige Pflanzen einzusetzen, sowie Wind- und Wasserkraft zu nutzen, sind hier konkrete Beispiele.

3. Erwirtschafte einen Ertrag

Zwar ist die Permakultur ein auf Dauer angelegtes Konzept, aber sie forciert es auch, gleich Erfolge zu sehen. Denn nur wenn andere sehen, dass dieses natürliche Prinzip erfolgreich ist, wird es Nachahmer finden.

Dass die Erträge sich sehen lassen können, zeigt das Beispiel der Hervé-Gruyers mehr als deutlich.

4. Wende Selbstregulierung an und lerne aus den Ergebnissen

Das Ziel der Permakultur ist ein in sich geschlossener Lebenskreislauf, der sich selbst erhält. Es geht darum, so wenig wie möglich einzugreifen und die selbsterhaltenden vorhandenen Fähigkeiten der Natur zu nutzen.

Aber auch wirtschaftlich ist dieses Prinzip interessant, denn weniger Eingriffe in den natürlichen Kreislauf verursachen auch einen geringeren Zeit- und Kostenaufwand.

Ein klassisches Beispiel aus der Permakultur ist die hügelartige Anlage von Pflanzenfamilien. Dank eines hohen Erdhügels entstehen tiefere und dicht verzweigtere Wurzelgeflechte, die den Boden selbst bei starkem Regenfall halten. Bei industrieller Anlage hingegen längst hätte hier eingegriffen werden müssen, um das Erdreich vorm Wegschwemmen zu schützen.

5. Nutze erneuerbare Ressourcen und Leistungen

Nachhaltig nutzen statt aufzubrauchen, das ist Permakultur in Reinform. Bei den Hervé-Gruyers beispielsweise kommt kein Traktor zum Einsatz, da dieser Erdöl als Ressource aufbraucht.

Enten und Gänse als Gartenhelfer - Permakultur

Foto: EwigLernender – my own digital foto, CC BY-SA 3.0, Link

Stattdessen lockert die Natur selbst durch die gewählte Bepflanzung und die vielen sich dort ansiedelnden Regenwürmer, Bakterien und Insekten den Boden ausreichend auf. Auch Tiere können hier zum Einsatz kommen, beispielsweise scharrende Hühner, und Traktor oder Bodenfräse überflüssig machen.

Sonne, Wasser, Biomasse – all diese Ressourcen sind erneuerbar und überdies ein wichtiger Teil der Permakultur in der Landwirtschaft.

6. Produziere keinen Abfall

Müll kann im System nicht recycelt und wiederverwertet werden. Die Permakultur regt an, neue Wege zu suchen, um möglichst keinen Müll zu produzieren.

Die Natur selbst macht vor, wie das funktionieren kann. Ein Regenwurm frisst abgestorbene Pflanzenreste und reinigt so das Feld, der entstehende Humus wiederum düngt den Boden ganz natürlich.

Permakultur verzichtet komplett aus Erdöl und spart allein dadurch enorme Mengen an Abfall ein.

7. Gestalte zuerst Muster, dann Details

Kräuterspirale

Foto: Der ursprünglich hochladende Benutzer war 4d44 in der Wikipedia auf Deutsch – Ãœbertragen aus de.wikipedia nach Commons mithilfe des CommonsHelper., CC BY-SA 3.0, Link

Permakultur ist ein ganzheitliches Konzept. Es geht immer darum, das Gleichgewicht eines Kreislaufs zu erhalten und nicht um einzelne Faktoren.

Wer ein solches Konzept in die Praxis umsetzt, sollte daher von Beginn an prüfen, wie die Standortbedingungen sind, und wo welche Pflanzzone im Idealfall untergebracht werden sollte.

Vom Großen wird ins Kleine geplant, niemals umgekehrt.

8. Integrieren statt ausgrenzen

Verschiedene Pflanzen und auch Nutztiere interagieren miteinander und können sich gegenseitig nützen – das Beispiel von Salat und Zwiebel fiel bereits. Die Permakultur setzt darauf, diese Synergien zu fördern, statt konkurrierend zu pflanzen und den natürlichen Kreislauf der Natur zu zerstören.

9. Nutze kleine und langsame Lösungen

Kaum ein Laie wird sich vorstellen können, dass eine komplett von Hand bewirtschaftete Fläche wirklich konkurrenzfähig sein kann. Doch dass sie es ist, zeigen Beispiele wie das aus der Normandie.

Kleine Lösungen einzusetzen scheint auf den ersten Blick langsamer. Doch das enorme Potenzial offenbart sich schon bald. Ein derart angelegter Boden wird Jahr für Jahr ertragreicher, ohne ihn künstlich zu trimmen.

10. Nutze und schätze die Vielfalt

Monokulturen bauen auf eine einzige Pflanze. Das kann den Ertrag steigern, birgt aber auch ein enormes Risiko. Wenn diese eine Pflanze aufgrund von Witterung oder Schädlingsbefall ausfällt, ist der komplette Ertrag hinfällig.

Permakultur hingegen setzt auf Vielfalt und kompensiert mögliche Ausfälle dadurch deutlich erträglicher. Außerdem fördert sie die Artenvielfalt der Natur, sowohl in Flora als auch in Fauna.

Alte Gemüsesorten und sonst nur noch selten anzutreffende Nützlinge wie die Wildhummel haben hier ihren Platz. Im kleinen Rahmen entstehen solche Fördervorhaben alter Sorten heute bereits wieder in den Städten – das Konzept der essbaren Stadt beweist es. Permakultur könnte diese Vision im Großen umsetzen.

11. Nutze Randzonen und schätze das Marginale

Dieses Prinzip dient als konkreter Hinweis für die ersten Schritte im Bereich Permakultur. Der Betrieb der Hervé-Gruyers ist wieder ein gutes Beispiel, denn er liegt nicht zentral, sondern am Rand zwischen Land und einem Bachlauf gebettet.

Solche Randzonen zu nutzen ist aus zweierlei Gründen sinnvoll. Zum einen steigert es die Produktivität des Systems, da natürliche Ressourcen – in diesem Fall das Wasser des Bachs – genutzt werden. Zum anderen verhindert es die Abwertung von Randflächen und nutzt natürliche Flächen ganzheitlich.

12. Nutze und reagiere kreativ auf Veränderung

Alles ist im Wandel. Nun haben wir in der Landwirtschaft die Wahl, ob wir auf Veränderungen mit immer tieferen Eingriffen in die Natur reagieren, oder ob wir Veränderungen annehmen, statt sie zu bekämpfen.

Wenn sich aufgrund eines veränderten Klimas im natürlichen Kreislauf auch die Pflanzen verändern, sieht die Permakultur vor, diese neuen widerstandsfähigeren Arten zu fördern, statt sie künstlich eindämmen zu wollen.

Funktioniert Permakultur auch auf großen Flächen?

Auf den ersten Blick wirkt das natürliche Konzept erstrebenswert, wirft aber auch Zweifel auf. Ist eine Landwirtschaft, die auf Permakultur basiert, wirklich in der Lage, die ganze Menschheit zu versorgen? Brauchen wir nicht Beschleuniger wie Dünger und können wir ohne maschinelle Unterstützung überhaupt wirtschaftlich arbeiten?

Francois Léger vom Institut National de la Recherche Agronomique in Paris glaubt dies schon. Permakultur wird seiner Ansicht nach auf die große Fläche übertragen in etwa gleiche, eventuell etwas niedrigere Erträge erwirtschaften können. Dafür aber ist sie wirtschaftlich äußerst attraktiv, weil sie geringe Betriebskosten hat – keinerlei Maschinenparks, keine Pestizide, keine künstliche Bewässerung und widerstandsfähigere Pflanzen.

Außerdem zeigt sich, dass Kunden bereit sind, für natürlich erwirtschaftete Produkte einen höheren Preis zu bezahlen. Wenn es nach dem Experten geht, könnte Permakultur also durchaus die Landwirtschaft nachhaltig verändern, ohne Erträge einzubüßen.

Brauchen wir mehr Permakultur?

Was denkt ihr über das Konzept? Kann das eurer Meinung nach funktionieren? Brauchen wir mehr Permakultur oder ist das eurer Meinung nach eher eine reine Liebhaberei?

Schreibt uns in den Kommentaren!

Und hier noch ein Filmtipp zum Thema Permakultur:

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Permakultur

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2 Kommentare

  1. Avatar-Foto

    Ich finde Permakultur sehr spannend.

    Im grösseren Stil sehe ich das aber nicht. Es braucht dafür sehr viele (teure) Arbeitskräfte und die Produktivität ist dann doch sehr tief.
    Wie man die Welt nachhaltig ernähren könnte, haben wir auf dem Blog schon einige Mal thematisiert…

    Liebe Grüsse Ilona

    • Heike Lorenz

      Hi Ilona,
      ich fand das Thema auch einfach total spannend!
      Ob es wirklich eine echte Alternative darstellt, weiß ich gar nicht, aber ich mag solche Impulse immer gern :-)

      Ich habe mich gerade bei euch im Blog umgeschaut – total toll, was ihr da treibt!
      Das wäre auf jeden Fall was für unseren „Leckerbissen des Monats“ – habt ihr Lust?

      Viele Grüße
      Heike

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